Ein neues Europa oder nur eine weitere Enttäuschung?
Diese wesentliche Frage zur "Konferenz zur Zukunft Europas" stellte sich die JEF-Gruppe des berühmten "College of Europe" und lud am 14. Jänner zur Online-Diskussion ein.
Mit ihren Eröffnungsworten erinnerte Federica Mogherini, Rektorin des College und ehemalige Hohe Vertreterin der Europäischen Union (EU) für Außen- und Sicherheitspolitik, dass die Organisation und der genaue Ablauf der Konferenz noch an den unterschiedlichen Erwartungen der europäischen Institutionen - Kommission, Parlament, Rat - scheitert. Ihr Ziel sei aber klar: Sie sollte den europäischen Bürger*innen den Mehrwert der Europäischen Union sichtbar machen. Dieser sei in der heutigen Pandemie eindeutig, das zeige sich am Beispiel der Anschaffungsmöglichkeiten von COVID-Impfungen. Frau Mogherini sehe aber den Bedarf nach institutionellen Reformen nicht, vielmehr gehe es darum, die Möglichkeiten der existierenden Verträge und Instrumente zu nutzen. Dafür fehle aber bei manchen der Mut, der politische Wille und/oder das Leadership.
MdEP Brando Benifei, Vorsitzender der Spinelli-Gruppe im Europäischen Parlament (EP) und ehemaliger JEFler, appellierte an die Jugend, eine Avantgarde zu bilden und das Momentum aus dem letzten Jahr zu nutzen, um nicht nur die sozialen, demokratischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auch die institutionellen Problemen innerhalb der EU zu überwinden.
Als ehemalige Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen fügte MdEP Danuta Hübner hinzu, dass der wichtigste Aspekt der Konferenz die Bürger*innbeteiligung sei. Diese wird vom EP auch stark unterstützt, aber ihr Traum wäre, ein dauerhaftes Beteiligungsverfahren fur Bürger*innen zu implementieren. Sowohl das Leitungsteam als auch der exakte Kalender der Konferenz sind noch nicht fixiert, dafür braucht es eine gemeinsame Erklärung aller drei Institutionen. Erst mit dieser kann der Prozess gestartet werden!
Der deutsche Abgeordnete Heribert Hirte, auch Vorsitzender des Unterausschusses Europarecht im Bundestag, betrachtet Demokratie als die beste Errungenschaft der EU. Um diese zu bewahren, müsse es u. a. eine starke Kooperation zwischen Parlamentarier*innen aus allen Mitgliedsstaaten geben. Er sieht aber einen potenziellen "Konflikt" mit der Zivilgesellschaft: Es solle klar sein, um welche Organisationen und Gruppen es sich dabei handelt, und inwiefern sie wirklich die Gesellschaft repräsentieren, was nicht immer der Fall sei. Parlamentarier*innen sind aber gewählte Vertreter*innen der Gesellschaft und sollen nicht ihre Legitimät verlieren.
Die Gefahr sieht Prof. Kalypso Nicolaïdis von der Oxford-Universität nicht: Das EP sei ein aktiver Bestandteil des Prozesses. Sie erinnert eher daran, dass sich, obwohl Demokratie nicht wirklich Teil der ursprünglichen DNA der EU war, der aktuelle Kontext geändert hat: Wir befinden uns "in einem demokratischen Notstand". Von der Konferenz zur Zukunft Europas erwartet sie, dass echte Bürger*innenbeteiligung statt bloßer Konsultation stattfindet. Viele NGOs seien schon am Werk, damit diese Erwartung erfüllt wird, darunter auch die Initative "Citizens take over Europe". Die Debatte sei notwendig!
Viele Fragen kamen vom Publikum: Welches Zusammenspiel herrscht zwischen nationalen und europäischen Ebenen? Wie werden Ergebnisse der Konferenz aufbereitet? Was genau soll an den europäischen Verträgen reformiert werden? Und wie können ALLE europäischen Bürger*innen während der Konferenz erreicht werden, nicht nur die "üblichen Verdächtigen"?
Die Antworten auf diese Fragen findest Du in Kürze hier in der Online-Aufnahme.
Wenn Du zum Thema Zukunft Europas weiter diskutieren möchtest, dann schau bei der nächsten Veranstaltung des College vorbei: https://www.coleurope.eu/events/high-level-interdisciplinary-conference-future-europe
Foto (c) European Federalists