, Yvonne Völkl

Europaburg wieder belebt!

Von 9. bis 11. Juli 2021 war das Europahaus nach 2 Jahren Pause von engagierten Europäer*innen wieder mit Leben erfüllt!

Bei strahlendem Sonnenschein fand das diesjährige Europa-Forum unter dem Motto Speak up, Europe! Auftakt für ein neues Jahrzehnt statt. Wer nicht live dabei war, konnte den meisten Vorträgen und Diskussionen dank neu akquirierter modernster Technik via Live-Streaming beiwohnen. Diese können bis auf weiteres auf dem YouTube-Kanal der EFB Steiermark nachgehört werden: https://bit.ly/2UBFgoi.

Den Auftakt machte am Freitagabend die Podiumsdiskussion zum Thema „Föderalismus als Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit“ mit Simon Devos-Chernova, JEF Europe/European Youth Forum, und Eva Lichtenberger, MEP a. D. (Die Grünen), die mit einer Videobotschaft der Politologin, Autorin und Europa-Aktivistin Nini Tsiklauri eingeleitet wurde. In diesem Panel wurde wiederholt die Bedeutung der Zivilgesellschaft im Allgemeinen und der Stimme der Jugend im Besonderen in den Vordergrund gerückt. Neben der EFB-Steiermark, dem Bürger*innen-Forum Europa, den Jungen Europäischen Föderalist*innen oder der Pulse of Europe-Bewegung gebe es eine große Zahl an Organisationen, die sich aus ihrer jeweiligen spezifischen Perspektive für Europa engagieren. In dieser Vielfalt liege auch die Stärke der pro-europäischen Organisationen, die sich – wofür bereits Othmar Karas in den letzten Feldbacher Europagesprächen plädierte – weiterhin gut vernetzen und enger zusammenarbeiten sollten. Ebenfalls wurde in diesem Panel auf die Konferenz zur Zukunft Europas hingewiesen, in der jede und jeder Einzelne von uns ihre/seine Ideen für Europa einbringen und die Ideen anderer unterstützen kann.  

Am Samstagmorgen diskutierten mit Christan Fleck (Soziologie), Sabine Klinger (Erziehungs- und Bildungswissenschaft) und Bernhard Siegl (Volkswirtschaftslehre) drei Sprecher*innen der Universität Graz über das Thema „Plötzlicher Stillstand – eine Gesellschaft im Wandel?“. Aus ihren jeweiligen Fachperspektiven hinterfragten die Wissenschaftler*innen in ihren Eingangsstatements, ob die Corona-Krise tatsächlich zu einem Stillstand geführt habe und welche Bereiche der Gesellschaft sich seit März 2020 verändert haben, wobei insbesondere der digitale Wandel ins Auge fiel. Vor diesem Hintergrund wurde in diesem Panel darauf eingegangen, wie die Digitalisierung ein europäisches Wir-Gefühl befördern könne und welche Auswirkungen diese auf die (vorrangig von Frauen durchgeführte) Reproduktionsarbeit, den Datenschutz oder die Konsument*innen, die immer mehr zu Prosument*innen werden, habe.  

Das zweite Panel des Vormittags widmete sich dem Europäischen Grünen Deal, der die Reduzierung der Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null bis zum Jahr 2050 vorsieht, und stellte die Frage, ob dieser unter Umständen nicht doch ein schlechtes Geschäft für das Klima sein könnte. Mit dem Publikum diskutierten die Biologin, Friedensnobelpreisträgerin (2007) und ehemalige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats (IPCC) in Genf, Renate Christ, sowie der Sozialwissenschaftler und Direktor des Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft der Joanneum Research in Graz, Franz Prettenthaler. Neben der Entwicklung des Klimaschutzbewusstseins und der historischen Verantwortung Europas in punkto Klimaschutz wurden die positiven und negativen Seiten des Green Deals angesprochen. Mit dem Publikum wurden zudem Fragen nach dem individuellen (z.B. weniger Fleischkonsum) und dem kollektiven (z.B. Kreislaufwirtschaft) Beitrag zum Klimaschutz erörtert.  

Das Thema „Europa und die globale Wirtschaftsordnung“ kommentierten am Samstagnachmittag aus persönlicher Sicht Arnold Kammel, Kabinettschef des Bundesministeriums für Landesverteidigung und ehemaliger Leiter des Austrian Institute for European and Security Policy (AIES), und Christoph Leitl, Präsident des europäischen Wirtschaftskammer-Dachverbandes Eurochambres. Kammel ging vor allem auf das Modell der globalen Wirtschaftsordnung und mit welchen Instrumenten dieses die EU global vertreten könne ein. Leitl sprach über die Interessen der USA und Chinas an einer Zusammenarbeit mit der EU und plädierte für eine transkontinentale Freihandelszone, in der Europa als Partnerin für die gesamte Welt auftritt. Darüber hinaus wurden von den Anwesenden u.a. Fragen zur Kooperationsbereitschaft der big player, zur Bedeutung der Neuen Seidenstraße und zur Verbreitung europäischer Werte auf globaler Ebene aufgeworfen und diskutiert.    

Der Samstagabend endete mit einem feierlichen Ausklang mit musikalischer Begleitung durch das Trio allegro. Nach der Segnung der Europaburg durch Bischof em. Maximilian Aichern, dem 2011 am Europa-Forum der ‚Mérite Européen‘ in Gold verliehen wurde, begaben sich die Gäste in den Raiffeisensaal der Marktgemeinde Neumarkt. Unter der Anwesenheit von Bürgermeister Josef Maier (ÖVP), Landtagspräsidentin Manuela Kohm (ÖVP), EYFON-Präsident Christoph Leitl und EYFON-Geschäftsführer Christian Buchmann  übergab der Landesvorsitzende der EFB Steiermark, Andreas Weber, den Meilenstein 2020 des Landes Steiermark an die geschäftsführende Landesvorsitzenden-Stellvertreterin der EFB Steiermark, Anne Favre, für ihr ehrenamtliches Engagement in der steirischen Jugendarbeit (wir berichteten). Hiernach richtete sich der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Martin Selmayr, in seinem Impulsvortrag an das Publikum. Darin verwies er u.a. auf die wirklichkeitserzeugende Kraft der Sprache und forderte die Anwesenden vor diesem Hintergrund dazu auf, in ihrem Umfeld nicht immer nur über die Misserfolge, sondern auch gerne einmal über die Erfolge und Errungenschaften Europas zu sprechen. Ihn erinnere dabei die Europaburg in Neumarkt ein wenig an Europa selbst – ein Seitenflügel ist zwar gerade vorbildlich modernisiert worden, der andere warte aber noch auf seine Renovierung. Insofern dürfe man zwar ruhig stolz auf das Erreichte sein, aber dabei nicht darauf vergessen, dass noch viel Arbeit auf dem Weg zu einem vereinten Europa vor uns liege.  

Der Sonntag war schließlich den Frauen in der Europäischen Union gewidmet, denn obwohl sie im Jahr 2020 mehr als die Hälfte (51 %) der EU-Bevölkerung ausmachten, waren lediglich 32,7 % Frauen in den EU-Regierungen vertreten. Das Panel „Speak up, Europäerinnen!“ mit Eva Lichtenberger, MEP a. D., Alexandra Schantl, Landesvorsitzende EFB Wien, und Yvonne Völkl, Universität Graz, wurde als World-Café geführt. Dieses Format bot Raum für anregende Diskussionen u.a. darüber, wie wir im Laufe des Heranwachsens stereotype Geschlechterrollen meist unhinterfragt übernehmen, warum die Teilhabe von Frauen in der öffentlichen Sphäre wichtig ist und welchen Beitrag wir auf persönlicher und institutioneller Ebene für die Geschlechtergleichheit innerhalb der europäischen Gesellschaft leisten können.  

Wir danken allen Sprecher*innen sowie Panel-Leiter*innen für ihre Beiträge und den Teilnehmer*innen für das breite Interesse, die spannenden Fragen sowie die inspirierenden Diskussionen! Ebenfalls ergeht ein großes Dankeschön an die JEF Steiermark, die EYFON-Stiftung, das Land Steiermark, das Land Kärnten und die Marktgemeinde Neumarkt für ihre anhaltende Unterstützung und aktive Mitwirkung.  

Dem nächsten Europa-Forum 2022 sehen wir mit großer Freude entgegen, zuvor dürfen wir uns jedoch noch auf die 56. Feldbacher Europagespräche freuen, die am 1. Oktober 2021 – voraussichtlich ebenfalls wieder in hybrider Form – stattfinden werden!  

Mit europäischen Grüßen

     – die Vorstandsmitglieder der EFB Steiermark